Worum geht es?
Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied (der Kläger) verlangt weiter die höhere Vergütung, die er über Jahre bekommen hatte – und die der Arbeitgeber später gekürzt und teilweise zurückgefordert hat. Die Frage: Wer muss beweisen, ob diese Kürzung rechtens ist?
Was sagt das Gesetz?
Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG* muss das Gehalt von Betriebsräten so angepasst werden, wie es bei vergleichbaren Kollegen mit normaler Karriere verlaufen würde.
Was ist passiert?
- Der Kläger arbeitete früher als Anlagenführer bei einem Autohersteller (Entgeltstufe ES 13).
- Er ist seit 2002 freigestellter Betriebsrat.
- Ab 2003 wurde ihm schrittweise mehr Gehalt gezahlt – zuletzt ab 2015 nach ES 20.
- Die Firma bot ihm 2015 eine Beförderung an (Fertigungskoordinator, er sei die „Idealbesetzung“), die er wegen der Betriebsratstätigkeit ablehnte.
- Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH vom 10.01.2023 – 6 StR 133/22) prüfte die Firma ihre Betriebsratsvergütungen neu und setzte sein Gehalt 2023 deutlich herab – zunächst auf ES 18, dann auf ES 17.
Was fordert der Kläger?
- Die Differenz zur vorherigen Bezahlung (ES 20)
- Rückzahlung der einbehaltenen Beträge
- Anerkennung, dass er dauerhaft Anspruch auf Bezahlung nach ES 20 hat
Was sagen die Gerichte?
Das Landesarbeitsgericht (LAG Niedersachsen, Urteil vom 8. Februar 2024 – 6 Sa 559/23) gab dem Kläger zum Teil Recht – aber erst ab 2016 und nicht wegen § 37 Abs. 4 BetrVG, sondern wegen § 78 Satz 2 BetrVG in Verbindung mit § 611a Abs. 2 BGB, weil er durch die schlechtere Bezahlung wegen seiner Betriebsratstätigkeit benachteiligt worden sein könnte.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dieses Urteil zurückverwiesen.
Wichtig:
- Grundsätzlich muss das Betriebsratsmitglied (der Kläger) beweisen, dass er Anspruch auf eine Gehaltserhöhung hat.
- Aber: Wenn der Arbeitgeber zuvor eine Vergütung nach § 37 Abs. 4 BetrVG gezahlt und ausdrücklich mitgeteilt hat, dass es sich um eine solche Anpassung handelt, muss nun der Arbeitgeber beweisen, dass diese Erhöhung fehlerhaft war.
Was passiert jetzt?
Das Landesarbeitsgericht muss neu prüfen, ob die Kürzung der Vergütung gerechtfertigt war. Wenn nicht, kann sich daraus ein Anspruch auf Bezahlung nach der Entgeltstufe 20 ergeben – dann aber nicht (nur) aus § 37 Abs. 4 BetrVG, sondern möglicherweise wegen verbotener Benachteiligung nach § 78 Satz 2 BetrVG in Verbindung mit § 611a Abs. 2 BGB.
Quellen:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. März 2025 – 7 AZR 46/24 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 8. Februar 2024 – 6 Sa 559/23 –
- § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG
- § 78 Satz 2 BetrVG
- § 611a Abs. 2 BGB
- BGH, Urteil vom 10. Januar 2023 – 6 StR 133/22 –
* § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG lautet: Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.